Die Käfer der Köpfe

Eine Ausstellung mit Arbeiten von Elisabeth Endres beim Kunstverein Schallstadt

Sozusagen ein Heimspiel hat der Kunstverein Schallstadt der in Leutersberg lebenden Elisabeth Endres ausgerichtet – auch wenn niemand behaupten kann, daß sie davon noch abhinge, denn zahlreiche Ausstellungen haben die Künstlerin in den letzten Jahren nicht nur in der Region herum, sondern auch weit in den Norden ebenso wie nach Südfrankreich geführt. Elisabeh Endres` Arbeiten umkreisen den Menschen. Die Figuren auf ihren Zeichnungen und Collagen sind fragile, kindhafte Gestalten. Sie werden mit Situationen und Gegenübern konfrontiert, die sie zu bedrohen scheinen: Würmer, Käfer dringen aus ihren Köpfen oder in diese ein, selbst die Hasen, die hier und da auftauchen, gewinnen einen düsteren Charakter. Der Kontakt mit einem Anderen, der in einem Umfassen, einem Anschmiegen, einem Kuss vollzogen wird, hat latent immer einen Touch von Erdrücken, Fressen, kurz Vereinahmen oder Überwinden. Die großköpfigen Kindergestalten wirken embryonal, was sie besonders verletzlich erscheinen lässt. Aus auffallend kleinen Augen schauen sie apathisch und wie desorientiert vor sich hin. Zeichen von anderen Gefühlen als Schmerz zeigen sie nie. Dem Betrachter drängen sich Assoziationen von verlorenen Waisen in Flüchtlingslagern oder auch KZs auf. Die neuen Ölbilder der Malerin sind teilweise unbelebt. Vor dunklem Grund sieht man ein Gitterbettchen, eine Schaukel, aber von den Kindern, die diesen Gegenständen eigentlich zuzuordnen wären, ist hier nichts mehr übrig, Sie sind fort, ihre Habe ist zurück geblieben… auch dies lesbar als Zeugnisse einer erschreckenden Welt. Eine etwas heitere Note haben – zum Teil – die Übermalungen von Katalogblättern eines Auktionskataloges von 1928. Elisabeth Endres hat sie mit Wachs abgedeckt und übermalt, wobei stellenweise der bedruckte Grund des Blattes freigehalten wird. So wandeln sich etwa bauchige Vasen zu Damen. Die darin liegende Ironie erinnert ebenso wie die Farbigkeit an manche Blätter der Dadaisten, was viellleicht auch an der zeitlichen Herkunft des Ausgangsmaterials liegt. Auf anderen Blättern lauert jedoch bei aller Ironie auch Beängstigendes, etwa eine finstere, geflügelte Figur, die aus einem auf den Kopf gestellten Blumentischchen gezaubert ist. Und wider herscht vernehmliche Stille, sind die Szenen oft wie erstarrt, wie in Dornröschens hundertjährigen Schlaf gefallen. Ganz Anderes bringen vom Material her die neuesten Collagen mit Filtertüten und Pflastern: aus einer Nase, die aus einem Pflaster gebildet ist, quillt dickes, drahtiges Gestrüppp, eine Filtertüte wird zur päpstlichen Tiara. Die Assoziation mit Verletzungen ist zwar nicht aufgehoben – selbst zwei Messer bedürfen offenbar der Behandlung! – die verhaltene Frechheit dieser Formgebung aber ist befreiend.

(Badische Zeitung 2009, Kultur)
Ulrike Düwell