Schulter mit Schälchen

Die Bilder von Elisabeth Endres im Badischen Pressehaus

Hier müssen Bilder sich erst einmal behaupten. Denen die vorübergehen, sagen, daß sie da sind. Und das tun diese Bilder, eindringlich und unaufdringlich. Elisabeth Endres stellt im Badischen Presehaus aus. Reihen kleinformatiger Arbeiten. Für einen Moment in einem Raumwinkel aber steht die Ausstellung still. Zu sehen sind zwei Ölbilder. Öl auf Holz. Ein fester Grund soll es sein, der gibt die Möglichkeit zu suchen. Abwaschen, Schaben, Kratzen, das alles gehört dazu. So wird die harte Fläche langsam zum Bildraum. Das Bild eine Geschichte, die sich den Worten entzieht. Die Schere da will archaisch weibliches Symbol sein. Eine vereinzelte Hand setzt ein Zeichen. Und wer hat dem Möbel hier zu welchem Zweck die Nägel eingetrieben? Schönheit, Sanftheit und verkapselter Schrecken, davon reden wir. In ihren Dichterblättern lässt Elisabeth Endres Text sichtbar werden. Doch drängt das Geschriebene – eines Huchel, einer Lasker-Schüler… – gar nicht danach, daß man es liest. Es stellt sich nicht vors Bild, so wie das Bild sich nicht vor den Text, den es zu illustrieren sucht. Bild und Text erzeugen eine Dichte, die sich nicht auflösen will. Und wie Bilder aus Bildern kommen, daß zeigt dann die lange Reihe der Übermalungen. In einem Antiquariat fand Elisabeth Endres alte Auktionskataloge: St. Petersburger Kunstschätze. Ein Fund, der zur Basis einer Bildfantasie wurde. Die Reproduktionen hat die Malerin zugedeckt, mit Farbe dunkel verhüllt, mumifiziert – um sie zu einem anderen Leben zu wecken, weiterzudenken, weiterzuträumen. In der zum Fries geordneten Folge entwickelt sich dies wie in einem Film. Jede der vielen Bildvorlagen unterliegt der Kraft der Verwandlung, die als sanfte Berührung wirken und als grausame Verkehrung greifen kann. Wie sich zwei dunkle Kindskörper in zwei Leuchter verstricken: So etwas bleibt haften. An anderer Stelle, in einer Collage, stellt sich Verwandlung so dar: Ein Tisch, an dessen Kante ein Stilleben – ein Stapel von Schälchen – sich aufbaut, bildet mit Hals und Kopf eine unvermutete Menschenfigur. Der Schälchenstapel ist damit zum kuriosen Schulterstück geworden. Das Bild zur kleinen Komödie, die uns niemand erklärt: Wie es funktioniert, so ein Denken in Bildern. Dies scheint sehr frei zu sein. Und ist es ja doch nicht. Denn immer wieder, wenn wir uns umsehen hier, begegnen wir Kindergestalten, stummer Tristesse. Daß sie eigentlich loskommen möchte davon, sagt die Malerin. Aber sie holten sie ein, diese Kinder, Schmächtige Körper, allzu schwere Köpfe. Erinnerung, sagt sie , spiele eine Rolle bei ihr. Mehr sagt sie nicht. Dafür hat sie Bilder.

(Badische Zeitung 11.02.2006, Kultur)
Volker Bauermeister